Wie Ängste entstehen – ein traumasensibler Blick auf ihre Wurzeln
Angst ist eines der grundlegendsten Gefühle des Menschseins – sie schützt uns, warnt uns und sichert unser Überleben. Doch wenn Angst überhandnimmt, ohne dass eine reale Bedrohung besteht, kann sie unser Leben stark einschränken. Viele Menschen spüren sie als dauerhafte innere Unruhe, als Panikattacken oder als schwer erklärbares Gefühl von Getriebensein.
Dieser Artikel beleuchtet, wie Ängste entstehen können – besonders aus der Sicht körperorientierter und traumasensibler Psychotherapieansätze. Dabei geht es nicht nur um Symptome, sondern vor allem um die tieferliegenden Ursachen im Nervensystem und in unserer Biografie.
Angst ist oft im Körper gespeichert
Viele Menschen, die mit chronischer Angst oder Panik reagieren, tragen eine erhöhte Grundspannung in sich – manchmal schon so lange, dass sie diese kaum noch bewusst wahrnehmen. Diese innere Anspannung zeigt sich oft genau dann, wenn eigentlich Ruhe einkehren sollte: beim Einschlafen, auf der Couch oder im Urlaub. Dann reichen schon kleine körperliche Veränderungen – ein schnellerer Herzschlag, ein flacher Atem – und das Nervensystem schaltet in Alarm. Was folgt, ist nicht unbedingt eine Reaktion auf die Gegenwart, sondern eine Erinnerung an eine vergangene, oft unbewusste Überforderung. Man spricht hier auch von der „Angst vor der Angst“. Das Nervensystem reagiert nicht auf das Hier und Jetzt, sondern auf eine im Körper gespeicherte Erfahrung.
Die Rolle früher Beziehungserfahrungen
Ein wichtiger Aspekt in der Entstehung von Ängsten ist die Frage: Wie wurden wir als Kinder in schwierigen Momenten begleitet? Haben wir Co-Regulation erfahren – also Menschen, die uns in unserer Angst beruhigt, gehalten und gespiegelt haben? Oder mussten wir alleine mit unserer Überforderung zurechtkommen?
Fehlende emotionale Resonanz in der Kindheit kann das Nervensystem dauerhaft in einen Zustand erhöhter Alarmbereitschaft versetzen. Das bedeutet: Die Fähigkeit zur Selbstregulation bleibt unterentwickelt, weil sie nie im sicheren Kontakt gelernt werden konnte. Das Ergebnis sind häufig ausgeprägte Ängste, emotionale Überwältigung oder dissoziative Zustände im Erwachsenenalter.
Der Mandelkern – ein überempfindliches Frühwarnsystem
Auf neurobiologischer Ebene spielt die Amygdala, auch Mandelkern genannt, eine zentrale Rolle. Sie ist Teil des limbischen Systems und für die emotionale Bewertung von Reizen zuständig – insbesondere für die Einschätzung von Gefahr. Bei vielen Menschen mit anhaltenden Ängsten ist die Amygdala überaktiv. Sie reagiert bereits auf kleinste Reize mit Alarm, auch wenn objektiv keine Bedrohung besteht. Das Nervensystem hat sozusagen gelernt, vorsichtshalber immer vom Schlimmsten auszugehen. Diese Überempfindlichkeit kann durch frühe Bindungsverletzungen, Stress oder Traumatisierungen geprägt worden sein.
Auch die Persönlichkeit spielt eine Rolle: Neurotizismus
Neben biografischen und neurobiologischen Faktoren gibt es auch psychologische Einflüsse, die Angst begünstigen können. Einer davon ist der Persönlichkeitsfaktor Neurotizismus. Menschen mit hohen Neurotizismuswerten erleben ihre Gefühle intensiver, sind emotional empfindlicher und reagieren schneller auf stressauslösende Situationen.
Das bedeutet nicht, dass Angst „Charaktersache“ ist – aber es kann erklären, warum manche Menschen bei vergleichbaren äußeren Umständen schneller in Angstreaktionen verfallen. Besonders in Verbindung mit früheren Traumatisierungen oder anhaltender Stressbelastung kann Neurotizismus das Nervensystem zusätzlich reizen und instabil machen.
Veränderung beginnt mit Verständnis und Regulation
Ein erster Schritt im Umgang mit Angst besteht oft darin, sie nicht länger als „Feind“ zu betrachten, den es zu bekämpfen gilt. Angst ist ein Signal – sie erzählt von etwas, das gesehen, gespürt und reguliert werden will.
Traumasensible Ansätze arbeiten deshalb nicht nur auf der gedanklichen Ebene, sondern beziehen den Körper, das Nervensystem und die Beziehungserfahrungen mit ein. Es geht darum, dem System Sicherheit anzubieten – durch Co-Regulation, durch achtsame Körperwahrnehmung, durch das Wiederentdecken innerer Ressourcen.
Angst zu verstehen heißt nicht, ihr immer aus dem Weg zu gehen. Es bedeutet, sie als Teil einer Geschichte zu erkennen – und sich behutsam auf den Weg zu machen, diese Geschichte neu zu schreiben.
Bitte beachte: Die Inhalte dieses Textes verstehen sich als Anregung zur Selbstreflexion und Selbsterfahrung. Die vorgestellten Methoden ersetzen keine medizinische oder therapeutische Behandlung. Es wird kein Heilversprechen gegeben.
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Christian Zinner
Praxis für Hypnose & Hypnosetherapie
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