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Kathartische Methoden sind Ansätze, bei denen unter Anleitung starke Emotionen bewusst ausgedrückt oder „herausgelassen“ werden. Dazu gehören zum Beispiel lautes Schreien, heftiges Weinen, körperliche Entladungsübungen, das Schlagen von Kissen oder das Ausagieren intensiver Wut. Der Begriff „Katharsis“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Reinigung“ oder „Läuterung“. Die Idee dahinter: Wenn angestaute Gefühle nach außen gebracht werden, lösen sich innere Spannungen und das psychische Gleichgewicht stellt sich wieder her.

Ich glaube, dass kathartische Methoden gerade deshalb so in Mode sind, weil viele Menschen sich im Alltag immer weniger spüren. Wer sich innerlich abgeschnitten fühlt, kann das Erleben intensiver Gefühle schnell als Beweis sehen, „endlich wieder etwas zu fühlen“. Für manche entsteht so der Eindruck, lebendiger oder authentischer zu sein. Dieses kurze Gefühl von Selbstwahrnehmung ist jedoch nicht gleichbedeutend mit wirklicher Verarbeitung oder Integration.

Aus einer traumasensiblen Sicht hat dieser Ansatz mit nachhaltiger Traumaverarbeitung wenig zu tun und kann sogar schaden.

Das Nervensystem wird überflutet
Trauma ist keine eingesperrte Emotion, die nur herausgelassen werden muss. Es ist eine anhaltende Dysregulation des Nervensystems. Wer in einem unregulierten Zustand starke Emotionen provoziert, riskiert eine erneute Überflutung oder Erstarrung. Das kann die traumatische Spur im Körper verstärken.

Ohne innere Sicherheit droht Retraumatisierung
Damit traumatische Erfahrungen integriert werden können, braucht es zuerst Sicherheit, Erdung und Selbstverbundenheit. Wer ohne diese Grundlage in intensive Gefühlsprozesse geht, kann alte Verletzungen erneut durchleben, ohne sie zu verarbeiten.

Die tieferen Prägungen bleiben unberührt
Oft liegt die Ursache nicht nur in einem einzelnen Ereignis, sondern in tieferliegenden Bindungs- und Entwicklungserfahrungen. Diese prägen Selbstbild, Beziehungsgestaltung und Körperreaktionen. Katharsis wirkt wie ein kurzes Druckablassen, ohne diese Muster zu verändern.

Kurzfristige Erleichterung ist trügerisch
Nach einer Entladung fühlt sich vieles für Stunden oder Tage leichter an. Doch ohne Integration und neue Regulationsstrategien kehrt das Nervensystem in den alten Zustand zurück – manchmal instabiler als zuvor.

Die Beziehungsebene fehlt
Nachhaltige Veränderung geschieht am zuverlässigsten in sicherem, reguliertem Kontakt mit einem anderen Menschen. Kathartische Methoden sind oft selbstbezogen oder gruppendynamisch, aber nicht bindungsorientiert. Für Menschen mit Entwicklungstrauma kann so unbewusst das alte Erleben von Einsamkeit oder Überwältigung wiederholt werden.

Fazit
Trauma wird nicht durch das Abreagieren von Gefühlen verarbeitet, sondern durch das schrittweise Wiedererlangen von Regulationsfähigkeit, innerer Verbundenheit und die Integration der Erfahrung in das eigene Selbstbild. Methoden, die Sicherheit fördern, Ressourcen stärken und auf Bindung aufbauen, sind dabei entscheidend.

Bitte beachte: Die Inhalte dieses Textes verstehen sich als Anregung zur Selbstreflexion und Selbsterfahrung. Die vorgestellten Methoden ersetzen keine medizinische oder therapeutische Behandlung. Es wird kein Heilversprechen gegeben.

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