Wenn Angst nicht nur im Kopf entsteht
Wie Genetik, Biochemie und Trauma unser Angstempfinden beeinflussen
Viele Menschen glauben, Angst sei ein rein psychisches Problem, ausgelöst durch Gedanken, Erinnerungen oder Stress. Doch Angst entsteht nicht nur im Kopf. Sie ist ein Zusammenspiel aus Psyche, Körper, Nervensystem und Biochemie. Und manchmal liegt die Ursache tiefer, in unserer genetischen Ausstattung oder in Stoffwechselprozessen, die nicht optimal funktionieren.
Wenn Gene das Gleichgewicht beeinflussen
Ein Beispiel dafür ist das MTHFR Gen, also die Methylen Tetrahydrofolat Reduktase. Dieses Gen steuert einen wichtigen Teil des Methylierungszyklus – ein biochemischer Prozess, der dafür sorgt, dass Nervenbotenstoffe wie Serotonin, Dopamin oder Noradrenalin gebildet und reguliert werden können. Diese Neurotransmitter beeinflussen maßgeblich unsere Stimmung, Motivation und Stressresilienz.
Wenn das MTHFR Gen in seiner Aktivität eingeschränkt ist, etwa durch eine häufig vorkommende Genvariante, läuft die Umwandlung von Folsäure zu aktivem Folat verlangsamt ab. Dadurch kann sich Homocystein im Blut anreichern, und der Körper hat weniger aktive Methylgruppen zur Verfügung. Das kann sich wiederum auf die Stimmung, die Energie und die Stressregulation auswirken.
Wenn klassische Wege nicht mehr greifen
In meiner Praxis begegne ich häufig Menschen, die bereits viele Wege gegangen sind. Sie haben Verhaltenstherapie, Gesprächstherapie, Hypnotherapie oder andere Ansätze ausprobiert – und trotzdem bleibt die Angst. Manchmal spüren sie kurzfristig Erleichterung, doch die Anspannung kehrt zurück, als würde der Körper selbst an der Angst festhalten.
Gerade dann lohnt es sich, tiefer zu schauen. Wenn der Körper seit Jahren im Alarmzustand lebt oder genetische und biochemische Faktoren unentdeckt bleiben, kann selbst eine fundierte Gesprächstherapie oder Verhaltenstherapie an ihre Grenzen stoßen. Hier braucht es einen ganzheitlichen Blick – einen, der Psyche, Biochemie und Nervensystem gemeinsam versteht. Die traumasensitive Hypnose öffnet genau diesen Zugang. Sie arbeitet nicht gegen die Angst, sondern erforscht, warum sie da ist – und was der Körper braucht, um sich sicherer zu fühlen.
Frühes Trauma – wenn Bindung die Biochemie prägt
Viele Menschen denken bei Trauma an ein einzelnes, schockierendes Ereignis. In der traumasensitiven Arbeit sprechen wir jedoch von etwas Tieferem, dem Bindungs- und Entwicklungstrauma. Das sind die feinen, oft unsichtbaren Verletzungen, die in der frühen Kindheit entstehen: wenn ein Kind nicht zuverlässig beruhigt, gesehen oder gehalten wird. Wenn Nähe gleichzeitig Sicherheit und Gefahr bedeutet.
Diese frühen Erfahrungen prägen das sich entwickelnde Nervensystem und damit auch die biochemische Grundstimmung des Körpers. Studien zeigen, dass chronischer Stress in der Kindheit epigenetische Spuren hinterlässt. Gene, die für die Stressregulation zuständig sind, werden dauerhaft anders abgelesen. So entsteht ein Körper, der sich selbst in ruhigen Momenten nicht sicher fühlt.
Ein Entwicklungstrauma ist also keine Erinnerung, sondern ein biochemisch gespeichertes Muster aus Alarm, Rückzug oder Überanpassung. Und genau hier liegt die Verbindung zu Angststörungen: Das Nervensystem bleibt in einem Zustand, der Gefahr erwartet – auch dann, wenn heute keine mehr da ist.
Traumasensitive Hypnose und Biochemie – wenn Regulation von innen entsteht
Die traumasensitive Hypnose arbeitet anders als klassische Hypnose. Sie nutzt keine Suggestion, sondern führt den Körper Schritt für Schritt zurück in Regulation. Über Atem, Wahrnehmung und sanfte Körperverankerung entsteht ein Zustand, in dem das Nervensystem zwischen Anspannung und Entspannung pendeln darf.
In diesem Zustand verändert sich nicht nur die Wahrnehmung, sondern messbar auch die Biochemie des Körpers. Der Parasympathikus wird aktiviert, Cortisol sinkt, Entzündungsprozesse nehmen ab, und das System kann wieder regenerieren. Erste Studien weisen darauf hin, dass Hypnose und ähnliche Verfahren sogar epigenetische Veränderungen begünstigen können – also Anpassungen in der Genaktivität, die Regeneration und emotionale Stabilität fördern.
Traumasensitive Hypnose schafft damit einen Rahmen, in dem Heilungsprozesse nicht erzwungen, sondern biologisch ermöglicht werden. Sie wirkt dort, wo Angst entstanden ist – im Zusammenspiel von Nervensystem, Körper und Biochemie.
Nährstoffe, die den Methylierungszyklus unterstützen
Wenn genetische oder funktionelle Schwächen im Methylierungszyklus vorliegen, kann eine gezielte Nährstoffunterstützung helfen, das System zu stabilisieren. Besonders wichtig sind:
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Aktives Folat (5-Methyltetrahydrofolat) statt synthetischer Folsäure
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Vitamin B12 (Methylcobalamin oder Adenosylcobalamin)
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Vitamin B6 (Pyridoxal-5-Phosphat)
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Riboflavin (Vitamin B2) als Cofaktor der MTHFR Aktivität
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Magnesium und Zink, um enzymatische Prozesse zu unterstützen
Diese Mikronährstoffe sind keine Zusätze im Sinne von „mehr ist besser“, sondern essenzielle Bestandteile einer gesunden Ernährung, die für viele Stoffwechselprozesse unverzichtbar sind. Durch industrielle Verarbeitung, ausgelaugte Böden und anhaltenden Stress wird die ausreichende Versorgung heute oft nicht mehr erreicht. Eine gezielte Supplementierung kann daher notwendig sein, um die natürliche Balance des Körpers zu erhalten und biochemische Abläufe zu unterstützen.
Wann kann ein genetischer Test sinnvoll sein
Ein genetischer Test auf das MTHFR Gen oder andere Stoffwechselvarianten kann sinnvoll sein,
wenn du trotz gesunder Ernährung, Bewegung und psychotherapeutischer Unterstützung weiterhin unter Angst, Antriebslosigkeit oder Stimmungsschwankungen leidest.
Er ist besonders dann hilfreich, wenn du zusätzlich Symptome wie Erschöpfung, Reizbarkeit, Schlafstörungen oder Konzentrationsprobleme kennst – also Zeichen, dass dein Stoffwechsel dauerhaft unter Spannung steht.
Der Test zeigt, ob dein Körper Folat und andere B Vitamine ausreichend verwerten kann.
Das ersetzt keine Therapie, kann aber wichtige Puzzleteile liefern, um dich ganzheitlich zu verstehen und gezielter zu unterstützen.
Welcher Test gemeint ist und wer ihn durchführt
Der Test, um die Aktivität des MTHFR Gens oder anderer Gene im Methylierungszyklus zu bestimmen, ist ein Gentest, der meist aus einem einfachen Speichel- oder Wangenabstrich besteht.
Er kann über spezialisierte Labore für funktionelle Medizin, über ärztliche Praxen mit genetischer Diagnostik oder auch über Fachärzte für Umweltmedizin beziehungsweise Heilpraktiker mit Laborkooperation beauftragt werden.
In Deutschland bieten zum Beispiel Medivere, Cerascreen, 23andMe (mit anschließender fachlicher Auswertung) oder einige Mikronährstofflabore entsprechende Analysen an.
Wichtig ist, dass die Ergebnisse nicht isoliert interpretiert werden, sondern immer im Zusammenhang mit Laborwerten wie Homocystein, Folat, B12, Vitamin B6 und dem individuellen Beschwerdebild.
Wichtige Laborwerte im Überblick
Für ein besseres Verständnis deiner biochemischen Situation können folgende Werte hilfreich sein:
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Homocystein zeigt den Methylierungsstatus
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Vitamin B12 und Folat weisen auf die Versorgung mit aktiven B Vitaminen hin
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Vitamin B6 ist relevant für die Neurotransmitterbildung
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Vitamin D unterstützt Stimmung und Immunsystem
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Cortisol (Tagesprofil) zeigt die Belastung der Stressachse
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Zink und Magnesium sind wichtige Cofaktoren für Enzyme
Diese Werte geben zusammen ein Bild, wie gut dein Körper Stress regulieren und emotionale Balance halten kann.
Fazit: Angst ganzheitlich verstehen
Wenn wir Angst nicht nur als psychische Reaktion sehen, sondern als Ergebnis von Erfahrungen, Genetik und biochemischen Prozessen, öffnet sich ein neuer Weg – weg von Schuldgefühlen, hin zu Verständnis und Selbstmitgefühl.
Manchmal reicht es nicht, nur an Gedanken zu arbeiten. Manchmal braucht der Körper selbst Unterstützung – und genau dort setzt eine integrative, traumasensitive Herangehensweise an.
Bitte beachte: Die Inhalte dieses Textes verstehen sich als Anregung zur Selbstreflexion und Selbsterfahrung. Die vorgestellten Methoden ersetzen keine medizinische oder therapeutische Behandlung. Es wird kein Heilversprechen gegeben.
Kontakt
Christian Zinner
Praxis für Hypnose & Hypnosetherapie
Praxisadresse:
Kapellstr.9a
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Telefon: 0211 30 12 871
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